Kreativität

Ideen sind die wichtigste Ressource unserer Gesellschaft!
Club of Rome

Wie kommt das Neue in die Welt?

Systeme sind konservativ. Entwicklung geht immer dort weiter, wo reproduzierbare Anschlüsse mit dem geringsten Aufwand klappen. Einmal strukturiert, fällt die Integration von Unbestimmtheiten also eher schwer. Bei Menschen in Sinnsystemen kommt hinzu, dass sie zwischen dem Erleben von Neuem und bewährtem Handeln trennen. Das Neue aus Kunst und Wissenschaft findet zwar regen Einzug in Kommunikationen, bleibt in der Regel aber auch dort.

Es fehlt der Anlass zum Handeln. Wie gelingen Schließungen angesichts des zunehmenden Tempos bei der Komplexitätssteigerung, wenn schon das Erfassen der Umweltkomplexität zu einem … außerordentlich zeitraubenden Kommunikationsproblem (Luhmann1984, 200) wird? Wie können Antizipationsrisiken wie Misstrauen überbrückt und in Kommunikationen reintegriert werden? Welche Möglichkeiten zur Selbstreferenz gibt es also bei Unsicherheit, Stagnation und Diskontinuitäten? Oder einfacher: Wie gelingt dann eine Öffnung für Neues? Woher kommen die Ideen?

Überzeugende Antworten auf Innovationssprünge finden sich bei ihm nicht. Zwar erkennt auch er (1984, 184) einen Bedarf an Asymmetrisierungsmechanismen für die Co-Evolution von Sozialem und Bewusstsein. Die Bestimmtheit müsse immer wieder durch Formen des Widerspruchs aufgebrochen werden. Jedes ausgesprochene Wort erregt den Gegensinn zitiert Luhmann aus Goethes Wahlverwandtschaften – aber er sagt nicht, wann es dafür zur Handlung kommen kann. Das ist auch schwierig, denn unter systemtheoretischer Prämisse verdichten und lösen sich neurologische Strukturen nur unter Sinnbezug zu brauchbaren Netzen. Und das wiederum nur, wenn die … erzeugten Voraussagen solcher Art sind, dass sie nicht in grundlegende zirkuläre Organisation eingreifen bestätigt Maturana (2000, 30). Kreativität braucht Chaos – aber mit Sinn und Sicherheit.

Vielleicht wäre das Spiel als Nicht-System spannender für ihn gewesen, hätte er die rasante Entwicklung der digitalen Medien mitbekommen. Denn die wird den parallel erzeugten Ideen beim Spielen zugeschrieben. Dass hier unverhoffte kreative Ergebnisse entstehen ist sehr wahrscheinlich. Denn wenn wo Erwartungen nicht mehr gelten, ist ein Fehler kein Versagen, eine Beschimpf keine Demütigung. Die Schwelle zur Handlungsbereitschaft sinkt. Damit steigt wiederum die Wahrscheinlichkeit für Systemirritationen im Medium von Sinn. In Ergänzung mit dem Modell von Brian Sutton-Smith lässt sich hier die Verständnislücke schließen, wie und warum Asymmetrien provoziert und damit Komplexität gesteigert wird.

Nach Sutton-Smith (1978, 52ff) nimmt jedes Spiel einen problematischen Sinn auf, der aktuell scheinbar nicht zu bewältigen ist. Die entscheidenden Zündungen entstehen in einer spezifischen Umkehrform (Sutton-Smith 1978, 98). Gemeint ist das Aufspannen eines Themas zwischen zwei dialektischen Polen. Der Mechanismus erinnert an die von Oerter (2007, 792ff) beschriebene Kreativitätsschöpfung, wenn sich das kontrollierende Bewusstsein von der Problemlösungsstrategie durch wechselnde Denkrichtungen löst.

Entscheidend ist, dass im bipolaren Schema auf der einen Seite ein künstliches Defizit wiederkehrende Handlungen stimuliert. So werden die Sinnelemente nicht nur dekomponiert und enttemporalisiert – es entsteht ein Zerrbild zur mitlaufenden Realität. Genau wie der Blick im Spiegel immer den Pickel fokussiert, irritieren Inkongruenzen im Medium Sinn das Bewusstsein – die Rekomposition des Sinns erzeugt also zunächst unipolare Redundanz.

Aus diesen Überproduktionen wird eine Stoßrichtung zur Realität sehr wahrscheinlich, denn jede Einschränkung von Entropie provoziert der Theorie nach die Möglichkeit, in Form von Ablehnung einen neuen Gegenhorizont aufzubauen (Luhmann 1984, 204). Das Spiel mit seiner künstlichen und mit Handlungsende zerfallenden Asymmetrisierung, aus der sich unipolare Selbstbeschreibungsschleifen zum Zerrbild des agonistischen Musters ergeben, scheint zur Produktion von Gegensinn so besonders geeignet zu sein. Im Unterschied zu anderen Techniken der Erwartungsentlastung kann Widerspruch durch selbstreferentielle Konstituierung erhandelt und auf Entscheidungsebene gehoben werden (s. Luhmann 1984, 499). Jede logische Operation brauche dies als Einstiegsvoraussetzung.

Kontextveränderungen, künstliche Probleme und emotionale Beteiligung aktivieren und dehnen neuronale Kommunikationen über das Maß der alltäglichen Beanspruchung aus. Es spricht viel dafür, dass bei der redundanten Aktivierung komplexer somatischer und kognitiver Repräsentationen im Spiel nicht nichttriviale, nicht überlebensnotwendige Vorstellungsbilder (s. Hüther 2009,108ff) entstehen. Schon anatomisch und physiologisch ist es dem Nervensystem gar nicht möglich, Wahrnehmungen zu reduplizieren – es aktualisiert frühere Repräsentationen im Kontext neuer Wahrnehmungen und legt so neue Interpretationen an (s. Damasio, 144ff). In welchem Umfang und in welcher Kombination diese Vorstellungsbilder in der realen Welt eine Bedeutung erhalten, kann sich wiederum nur über die realen sozialen Kommunikationen und Handlungen bewähren – oder nicht.

Macht Lara fitter für die Umwelt als Pipi

PippiLangstrumpf lara-croft-12-sound Die Ähnlichkeiten sind verblüffend. Schon rein äußerlich. Aber auch der Hintergrund ist wie bei vielen Helden gleich: der Einfluss nahestehender Personen, wie Eltern, Partner als Erwartungsträger – ist kaum erkennbar, unbedeutend. Die große Freiheit also.

Der Unterschied: Im setting eines Videospiels fehlen die Interpretationsvorgaben im Medium Sprache (s. Richard 2004, 24ff). Es fehlt eine Narration, die in Büchern oder Filmen immer schon beigegeben ist. (Weshalb Videospiele als Filme auch meist floppen).

Die Welt der Pipi lässt sich erleben und bedarfsweise kopieren.

In Laras Welt wird bis ins Extrem erlebt und gehandelt. Mit einsetzender Beobachtung erster Ordnung im antagonistischen Muster – dem Sprachdefizit – erscheint sozusagen im Rückspiegel das agonistische Muster: eine sprachlich vermittelte Sinnkomplexität. Der Gegenreiz bestünde dann für:

  • sprachvermittelte Aushandlungen
  • Partizipation und Verantwortung
  • differenzierte seelische Zustände
  • Sinneswahrnehmung und Nähe