Zusammenfassung – die Welt als Witz

Warum spielen Menschen? Warum setzen sie Energien nicht für etwas Sinnvolles ein? Dieser besondere Reiz ist bisher ungeklärt. Biochemisch ist Motivation eine Frage der Belohnungserwartung. Aber wie sieht die aus, wenn – so der Psychologe Rolf Oerter – Folgen im Spiel gar nicht erwartet werden?

Glück: gelücke (mittelniederdeutsch) = Art, wie etwas endet, gut ausgeht  

Neu ist die Suche mit Blick auf lebende Systeme.Zunächst sieht das nach Sackgasse aus, weil spielerische Probierbewegungen da nicht hineinpassen. Systeme wollen das Bewährte. Sie belohnen ihre Selbsterhaltung über das Gefühl – stellen Weichen für Entscheidungen, die wir spüren: Spaß haben wir, wenn wir das Ende schon kennen. Beim Duft von Apfelkuchen, bekannten Melodien oder vertrauten Freunden erwarten wir Entspannung und Zufriedenheit. Und weil das von Mal zu Mal sicherer gelingt, ebbt das Spiel aus trial & error bei den meisten Lebewesen im Lauf der Zeit von allein ab. Bei Menschen gibt es aber eine interessante Besonderheit:

Zwei Systeme leben – ach! – in unserer Brust

Mehr Spaß haben wir ja eigentlich, solange wir das Ende noch nicht kennen: Unbekannte Länder entdecken, Gaumenkitzel oder einen anderen Partner …Dann erwarten wir etwas Neues, Spannendes. Technisch betrachtet wirken da zwei verschiedene Systemtypen mit gegensätzlichen Zielen. Von denen sind wir heute abhängig. Der eine hält uns über die Sinne am Leben – der andere gibt diesem Leben einen “Sinn“. Die Folgen beschreibt Goethes in seinem Faust: Im Alltag müssen wir uns bei der Belohnungserwartung zwischen Spannung oder Entspannung – zwischen Hoffnung oder Zufriedenheit entscheiden.

Diese Erwartungen wurden in der empirischen Studie untersucht. Das Ergebnis ist zur Zeit wohl die erste messbare Unterscheidung zwischen Spiel und Nicht-Spiel. Und es ist hochsignifikant: Spielen macht keinen Sinn. Das klingt banal. Mit dieser Einstellung fällt aber auch die Konstruktion der Zeit in sich zusammen. Ein Ist-Zustand entsteht, wie durch Meditation oder Drogen. Aber im Spiel ist nicht alles gleich gültig. Es schafft neue offene Enden und zwingt zur Entscheidung. Übertragen auf Manfred Eigens Bild zeigt der Befund: Spielende kappen den Entscheidungsbaum am zeitlichen Ast. Damit erscheint eine handfeste Ursache für die Motivation:

Never change a running system?

Denn den meisten Spaß haben wir ja, wenn sich eine Spannung ins Gegenteil entlädt – der Schuss nach hinten losgeht, ohne weh zu tun. Das Prinzip von jedem Witz also, der etwas Erwartetes in einen unerwartbaren Kontext bringt und uns für einen Moment den Spiegel vorhält. Aus gutem Grund belohnen lebende Systeme solche gelungenen Frechheiten mit einer besonders hohen Dosis Dopamin. Denn sie müssen sich selbst steuern. Richtungswechsel verhindern, dass die Weichen einrosten. Das System bleibt lern- und anpassungsfähig.

Gerade rational entscheidende Menschen brauchen ein Für und Wider, um Maß zu nehmen und sich ein eigenes Urteil zu bilden.Das geht ohne Angst, wenn man dafür die alte Position nicht aufgibt – wenn klar bleibt, wofür etwas gut ist. Wer Hoffnung hat, darf aber nicht zu frech werden, denn im Fluss der Zeit lässt sich das immer schwerer erkennen. Und mit zunehmender Strömung verliert sich auch noch das Gefühl für die eigene Position. Ohne zeitliche Achse stehen Spielende nach dem Gesetz der Systeme im thermodynamischen Gleichgewicht – in einem geschlossenen Kreislauf der Energietransformation, der Richtungswechsel und Widersprüche unter positive Vorzeichen stellt.

Oder anders gesagt: Spielende formatieren interessante Dateien so um, dass sie zu unserer herkömmlichen biologischen Software passen. Hier siegt Frechheit immer – denn die Software wird überspeichert: stehen bleibt nur, was sich bewährt, was sich wiederholen lässt. Klar, dass man dann jeden Versuch mit Humor nehmen kann: “Fehler” werden ja vergessen und das Programm dabei immer besser.

Systeme, die Zeit benutzen, können das nicht. Hier machen Fehler enormen Stress, weil das System nicht vergißt. Sie reihen Informationen aneinander.

Hinweise gegen eine Sucht geben Spielende dann selbst:  Mehr Humor im unbewussten Spiel! Zeiträume für trial & error, in denen ein Fehler kein Versagen ist. Geduld und Vertrauen sind wichtig, um das auszuhalten. Der Zeitraum selbst lässt sich in einer sinnhaften Welt aber nur durch gültige Informationen eingrenzen – Ansagen, die “stehen bleiben” und Erwartungssicherheit geben. Dann kann sich ein eigenes Urteil bilden für eine positive Power im unbewussten Spiel. Hier macht Hoffnung schließlich immer noch am längsten Spaß. Geübte Spieler können das im Prinzip sogar besser. Denn das zweite Ergebnis der Studie zeigt auch, dass nur sie beide Spielarten sicher unterscheiden.

Sinn macht das Spiel am Ende wohl vor allem für die Evolution von Zeitsystemen. Denn mit ihm gewinnt sie Impulse für ihre wichtigste Ressource – Ideen.